Null Toleranz für Frauenunterdrückung

Aus einem Kellerlokal in Hägersten in Stockholm sendet das Frauen-Netzwerk Radio jeden Sonntag zwischen zwölf und zwei. Die "Stimme der Frauen" sendet auf persisch, eine der Programmleiterinnen ist Haideh Daragahi. Die Internationale traf sie im Kontor des Frauen-Netzwerks im Gamla stan. Haideh Daraghi schreckt nicht davor zurück, über die Gewalt gegen Frauen aus dem Iran und anderer Einwanderergruppen zu reden. In einer Debatte im Kulturhaus in Stockholm im März diesen Jahres behauptete sie, daß Frauenunterdrückung sowohl mit Politik als auch mit Kultur zu tun habe. Dafür bekam sie Schelte von anderen IranerInnen, welche der Meinung sind, man dürfe nicht herablassend über die eigene Kultur sprechen, da dies den RassistInnen in die Hände spielen würde.

 

Gewalt ist universal

- Gewalt gibt es in allen Kulturen, sagt sie. Der Ausdruck wechselt je nach den dominierenden Wertvorstellungen der Kultur. Im Iran waren die Voraussetzungen für eine starke Frauenbewegung seit Beginn der 1900er Jahre zu finden, doch auf Grund der politischen Diktatur hat die Volksbewegung nie die Chance erhalten, sich zu entwickeln. Der Iran wurde während der letzten 21 Jahre von Mullahs beherrscht, und da Gewalt gegen Frauen nach islamischem Gesetz kein Verbrechen ist, hat sich die Situation drastisch verschlimmert. Frauenfeindliche Kultur ist nichts, was im Namen der Kultur gerechtfertigt werden kann, meint sie.

- Ich habe null Toleranz! Null Tolerenz für Frauenunterdrückung, ungeachtet in welcher Kultur diese stattfindet. Ihre Null Toleranz umfaßt auch den Kulturrelativismus, einen Begriff, der, wie sie findet, gewaltig stark ist in Schweden. Mit Kulturrelativismus meint Haideh Daragahi, daß die Menschen die Kultur stärker berücksichtigen, als das Individuum.

- Wenn man sagt, daß man andere Kulturen respektiert und sich nicht einmischen will, sagt man eigentlich, daß man das Recht der Fratzen, innerhalb einer einzelnen ethnischen Gesellschaft ihre Kinder und Frauen zu unterdrücken, akzeptiert. Zu sagen, daß das, was gut für mich ist, vielleicht nicht notwendigerweise gut ist für die Tochter der Nachbarin, das ist rassistisch.

 

Schweigen ist keine Lösung

Sie erregt sich, als sie von der Plattheit der SchwedInnen und IranerInnen redet.

- Sie sehen nicht auf die Menschen, auf die Infividuen, sondern plötzlich werden wir zu kulturellen Wesen, die in ihrer Kultur gefangen sind.

- Es ist eigentlich so einfach. Es geht nur darum, die Seite zu wählen und zu sehen, daß es innerhalb verschiedener Kulturen Gegensätze gibt. Aus Furcht davor, die RassistInnen könnten die Situation ausnutzen, zu schweigen, ist keine Lösung.

- Jemand muß für das Schweigen bezahlen, in diesem Fall werden Frauen und Kinder geopfert, damit kann man nicht einverstanden sein.

- Gegenkulturen hat es immer gegeben, das sind diejenigen, welche die Entwicklung vorantrieben. Schwedische FeministInnen haben hundert Jahre lang dafür gekämpft, den Stand einer Gesellschaft zu erreichen, in der Frauen respektiert werden, zumindest dem Gesetze nach. Es ist verboten zu schänden, zu mißhandeln und Frauen zu vergewaltigen.

- Doch viele der heutigen FeministInnen weigern sich zu sehen, daß es denselben Kampf gibt zwischen denen, die sowohl im Iran als auch hier in Schweden der islamischen Kultur angehören.

 

Der Fehler, Moscheen zu bauen

Haideh Daragahi ist kritisch gegenüber der Tatsache, daß der Staat die islamische Kultur durch das Errichten neuer Moscheen stützt.

- Es ist nicht recht, eine Institution zu stützen, die frauenfeindliche Lehren verbreitet und Frauen aktiv unterdrückt. Als Bürgerin bin ich auch gegen die Kirche. Doch da gibt es einen kleinen Unterschied, die Kirche hat nicht denselben Einfluß in der Gesellschaft wie die Moscheen und deren Priester ihn haben. Sie reizt viele mit ihrer Kompromißlosigkeit. Doch sie hat auch viele mit sich. Eines Sonntags, als sie von den Vergewaltigungen von Rissne redete, rief ein Mann an und war entrüstet. Er sagte, er würde sich nicht in den Männern, die unverschleierte Frauen als Ehebrecherinnen ansehen, wiedererkennen, im Gegenteil, er fühle sich jedesmal gekränkt, wenn er eine verschleierte Frau sähe. Denn das bedeutet, daß alle Männer als potentielle Vergewaltiger definiert werden. Haideh Daragahi ist froh darüber, daß so viele iranischen Männer sich engagieren und es wagen, das öffentlich kundzutun. Sie sagt, das schwedische Gesellschaftsklima, in dem es trotz allem eine Einschätzung gibt, die besagt, daß Frauen und Männer gleichgestellt sein sollten, habe es für viele Iraner und andere Einwanderer leichter gemacht, sich auf die Seite der Frauen zu stellen.

Ina Ghai

 

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©Angelika Friedrich, Jan. 2000

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